Corona/Covid-19 und Mundgesundheit

 

Die wenigsten Menschen freuen sich auf einen Besuch beim Zahnarzt oder empfinden diesen als angenehm. Umso verständlicher ist, dass viele von ihnen nach Auftreten des Coronavirus und dem Lockdown im Frühjahr 2020 unnötige Behandlungen oder lästige Kontrolluntersuchungen abgesagt oder hinausgezögert haben. Zu unsicher sei der Gang in die Zahnarztpraxis. Vielleicht hat jemand, der mit dem Virus infiziert ist, vor mir auf dem Stuhl gesessen? Oder sitzt im Wartezimmer neben mir? Nein, da suche ich den Zahnarzt lieber erst nach der Pandemie auf. Außer ich habe Schmerzen, dann gehe ich sofort.

Viele Patienten, die ihre Termine im ersten Lockdown abgesagt oder nicht wahrgenommen haben, standen Ende des Jahres vor einem anderen Problem: Der Stempel im Bonusheft fehlt noch! Und so begab man sich doch zum Zahnarzt, setzte sich doch ins Wartezimmer und auf den Behandlungsstuhl – mitten in der zweiten Welle der Pandemie, die Deutschland und den Rest der Welt stärker getroffen hat als die erste.

Da stellt sich doch die Frage: Gibt es überhaupt ein „nach der Pandemie“? Und wieso nur zum Zahnarzt gehen, wenn Beschwerden vorliegen?

Ihre Mundgesundheit ist ein wichtiger Teil der Allgemeingesundheit!

Ein Großteil der Bevölkerung vertritt nach wie vor die Ansicht, dass der Besuch beim Zahnarzt nur bei akuten Schmerzen erfolgen muss. Dabei wurde schon vor Jahrzehnten in verschiedensten Studien nachgewiesen, dass die orale Gesundheit einen großen Einfluss auf die Allgemeingesundheit hat. Wechselwirkungen zwischen parodontalen Erkrankungen (also Erkrankungen des Zahnhalteapparates) mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus und Alzheimer sind nur einige der Beispiele. Ein klassisches Zeichen für eine parodontale Erkrankung ist zum Beispiel Zahnfleischbluten.

Dabei lassen sich parodontale Erkrankungen mit regelmäßigen, zweimal jährlich stattfindenden Kontrolluntersuchungen und professionellen Zahnreinigungen sehr gut kontrollieren und sogar stabilisieren. Ferner hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass bei an SARS-CoV-2 (COVID-19) erkrankten Patienten eine besonders hohe Konzentration des Virus in parodontalen Zahnfleischtaschen nachgewiesen wurde.

Mit anderen Worten: Zahnfleischtaschen sind ein beliebter Tummelplatz für das Coronavirus. Dies bedeutet natürlich nicht: keine Zahnfleischtaschen, kein Virus. Aber sie haben einen großen Einfluss auf die orale Immunkompetenz – und damit Ihre Allgemeingesundheit.

Wie funktioniert der Virus?

In erster Linie wird SARS-CoV-2 über eine Tröpfcheninfektion übertragen. Die Tröpfchen entstehen beim Sprechen, Niesen oder Husten und werden kontinuierlich in die Luft abgegeben. Tragen Sie daher einen Mund-Nasen-Schutz auf die korrekte Weise (Nase und Mund sind bedeckt), können die von Ihnen ausgehenden Tröpfen nicht in die umliegende Luft abgegeben werden. Halten Sie zusätzlich den empfohlenen Mindestabstand ein, reduzieren Sie ebenfalls die Gefahr, andere Personen oder sich selbst anzustecken. Die Tröpfchen in der Luft sinken zu Boden, bevor sie Sie erreichen.

Da es sich außerdem um einen Virus handelt, der nur auf Schleimhäuten länger überleben kann, ist der bloße Kontakt mit dem Virus (z.B. auf der Hand) ungefährlich. Erst wenn mit der Hand Schleimhäute berührt werden (zum Beispiel durch Reiben der Augen), kann der Virus in den Körper eindringen. Regelmäßiges, richtiges Händewaschen (mindestens 20 Sekunden) oder Desinfizieren tötet bereits einen Großteil der Viren ab.

Gelangt der Virus nun doch in den Körper, so ist der erste Kontakt oftmals mit der
Mundschleimhaut. Relativ schnell nach Auftreten des Virus wurde festgestellt, dass dieser an ein bestimmtes Enzym bindet (Angiotensin-converting enzym II, kurz: ACE 2). Dieses Enzym befindet sich nicht an der Hautoberfläche, sondern hauptsächlich an Blutgefäßen der Lunge. Aber auch in der Mundhöhle ist das Enzym ACE 2 in großer Menge vorhanden. Ein Großteil der Viren wird also bereits vor Erreichen der Lunge in der Mundhöhle gebunden und von der Immunabwehr bekämpft. Dies erklärt zum Beispiel, wieso einige Infizierte unter Geschmacksverlust leiden.

Eine gute Mundgesundheit ist wichtig – nicht nur im Kampf gegen das Coronavirus

Hier kommt die sogenannte orale Immunkompetenz ins Spiel – mit einer entscheidenden Rolle. Es hat sich gezeigt, dass vor allem bei Risikopatienten schwerere Krankheitsverläufe durch eine gute orale Immunkompetenz verhindert werden können. Die orale Immunkompetenz kann jedoch nur effektiv agieren, wenn die orale Mundgesundheit im Gleichgewicht ist. Parondotale Erkrankungen hingegen führen zu einem Ungleichgewicht.Zahnfleischtaschen sind hierbei der ideale Nährboden für pathogene (schädlichen) Keime. Durch deren Überanzahl halten sie das Immunsystem dauerhaft aktiv und entziehen diesem wertvolle Energie, die es eigentlich für die Immunantwort auf das SARS-CoV-2-Virus bräuchte. Tiefe Zahnfleischtaschen können aber bei der alltäglichen häuslichen Mundpflege nicht ausreichend gereinigt werden. Viele Keime bleiben zurück. In solchen Fällen helfen nur noch die professionelle Zahnreinigung oder sogar tiefgreifende Zahnfleischbehandlungen (Parodontalbehandlungen).

Neben der frühzeitigen Diagnose von Parodontalerkrankungen und natürlich Karies, haben die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen auch andere Funktionen, wie zum Beispiel die Krebsvorsorge. Nicht wenige gut- und bösartige Tumore haben ihren Ursprung im Kopf-Hals-Bereich. Auch von den Mundschleimhäuten können Tumore ausgehen. Hier ist es wichtig, dass ebenfalls Patienten mit Vollprothesen mindestens einmal jährlich zur Kontrolle kommen. Die Untersuchung der Kopf- und Mundschleimhaut wird von vielen Patienten oftmals nicht bedacht, ist aber ein essentieller Bestandteil jedes Zahnarztbesuches.

Prinzipiell lässt sich festhalten, dass der Zahnarzt nicht nur zur Behandlung akuter Schmerzen aufgesucht werden sollte. Moderne, ganzheitliche Zahnmedizin erstreckt sich weit über die Mundhöhle hinaus – auch in Zeiten einer Pandemie. Karies und andere Erkrankungen pausieren nicht. Im Gegenteil: Unbehandelt können die Langzeitfolgen fatal sein.

Hygiene bei Ihrem Zahnarzt

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde hat zu Beginn der Pandemie eine neue Hygiene-Leitlinie herausgebracht und seitdem regelmäßig aktualisiert. Darin wurden verstärkte Hygienemaßnahmen etabliert. Hierzu zählen das dauerhafte Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes von Praxispersonal und Patienten, obligatorisches Händewaschen bei Betreten der Praxis, ausreichendes Lüften zwischen den einzelnen Behandlungen und natürlich das Einhalten des Mindestabstandes. Hinzu kommt, dass die deutschen Hygienestandards für Desinfektion von Oberflächen und Sterilisation von Instrumentarium bereits deutlich höher liegen als in anderen europäischen Ländern.

Für ausreichenden Schutz Ihrer Gesundheit wird also gesorgt.

All diese strengen Vorgaben machen Ihren Zahnarztbesuch zu einer sicheren Angelegenheit. Denn niemand, weder Patienten noch Praxispersonal, möchte sich dem Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion aussetzen. Die nun beginnenden Impfungen werden wieder für ein Gefühl der Sicherheit sorgen. Aber niemand weiß, wie lange der Impfschutz anhält. Oder ob nicht bereits der nächste Virus in den Startlöchern steht.

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen und professionelle Zahnreinigungen sind daher genauso essentiell wie das Tragen einer Maske, richtiges Händewaschen und die Einhaltung der Abstandsregelungen.

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie. Schützen Sie sich und Ihre Gesundheit.

Autor: ZA Patrick Krug